14. September 1986
Ich werde langsam, auf der Seite liegend, wach. Sarah liegt neben mir auf dem Bauch.
‘Doch kein Traum! Wie kann sowas Schönes meine sein?’
Ich lehne mich zu ihr rüber, streiche ihr die Haare aus dem Gesicht und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. Sie dreht sich auf den Rücken, streckt sich, dreht sich zu mir, blickt mir in die Augen und lächelt.
„Selten so gut geschlafen! Guten Morgen”, sagt sie gut gelaunt.
„So kann der Morgen gerne immer anfangen! Du siehst so schön beim Schlafen aus.”
„Ich mag es total, wenn du mich weckst!”
Sie gibt mir einen Kuss.
„Könnt ihr leiser sein, ich wollte noch schlafen!”, meckert Nadine.
„Tut uns leid, aber das ist unser erster gemeinsamer Morgen“, rechtfertigt sich Sarah.
„Dann macht das woanders! Ich will schlafen!”
„Lass uns aufstehen und ins Bad gehen, dann hat Nadine ihre Ruhe!”, versuche ich zu vermitteln.
„Hast recht. Dann los!”, sagt Sarah.
Wir stehen auf, Sarah nimmt sich frische Sachen aus dem Schrank, ich hebe unsere alten Anziehsachen auf und gehen runter. Im Bad gibt mir Sarah eine frische Zahnbürste, dann putzen wir die Zähne und waschen kurz unsere Gesichter. Sarah zieht ihre alte Unterwäsche aus und ich weiß nicht, warum ich es tue, denn als sie nackt vor mir steht, nehme ich sie ganz fest in den Arm und küsse sie. Danach guckt mich Sarah ganz überrascht an.
Sie sagt mit einer seltsamen Stimme: „Wenn du mich weiter so überraschst, weiß ich nicht, ob ich dich heute Abend gehen lassen kann!”
Während wir uns noch festhalten, geht die Badezimmertüre auf und Jana will reinkommen. Sie sieht uns kurz und ist ganz schnell wieder verschwunden. Wir sind total erschrocken und ziehen uns ganz schnell an. In der Küche angekommen, sehe ich, wie Jana mit Thomas das Frühstück vorbereitet. Wir sagen guten Morgen.
Jana sagt: „Guten Morgen! Könnt ihr mir bitte einen Gefallen tun und die Badtüre ab sofort abschließen, wenn ihr zu zweit drin seid?”
„Natürlich!”, sagt Sarah.
„Ian was willst du trinken?”, fragt Thomas.
„Habt ihr ‘im nu’?”
„Ist noch welcher da. Sarah hat ihn mal probiert, schmeckt ihr nicht.”
„Danke. Nehm ich!”, zu Sarah: „Hast du ihn mit einem Schluck Milch getrunken?”
„Nein. Probier ich mal!”
„Also für Sarah auch!”, sage ich zu Thomas.
„Alles klar.”
Wir setzen uns an den Tisch.
„Was willst du essen?”, fragt Jana.
„Sarah, was isst du immer früh?”
„Weißbrot mit Käse und Marmelade.”
„Das geht? Kenne ich gar nicht. Muss ich probieren!”
Wir fangen an.
Sarah nach einer Weile: „Der Tip mit der Milch ist gut, dann ist es nicht ganz so bitter!”
„Freut mich. Deine Idee mit Käse und Marmelade ist gut, auch wenn ich das nicht immer essen könnte. Ist mir zu süß.”
Wir frühstücken zu Ende.
„Was machen wir jetzt?”, fragt Sarah.
„Keine Ahnung! Was machst du normalerweise Sonntags?”
„Schulsachen vorbereiten, weil morgen Montag ist. Dann lese ich meistens.”
„Dann lass uns erstmal deine Schulsachen machen und dann geh’n wir zwei einfach noch etwas raus, okay?”
„Klingt wie ein Plan.”
Wir sind draußen und laufen, Hand in Hand, durchs Dorf. Sie zeigt das Wichtigste, wie den Kindergarten, den kleinen Konsum, das Rathaus und auch ihre Schule. Dann machen wir uns auf den Rückweg, da begegnen wir einer Mitschülerin von ihr.
„Hallo Charlie!”, sagt Sarah.
„H-ha-hallo Sarah! W-wer ist das?”
Sie zeigt auf mich.
„Das ist mein Freund Ian!”
„Hallo Charlie. Schön dich kennenzulernen!”, begrüße ich sie.
„D-du b-bist echt?”
„Warum sollte ich das nicht!”
Sarah zu mir: „Gehen wir weiter!”
Zu Charlie: „Wir sehen uns morgen!“
Ich küsse Sarah und danach sage ich: „Wir müssen weiter! Charlie, es hat mich gefreut dich zu treffen.”
Wir gehen weiter und lassen eine total irritierten Charlie zurück.
„Warum hast du mich gerade geküsst?”
„Um zu zeigen, dass ich nicht nur ein Freund, sondern dein Freund bin oder war das falsch?”
„Nein, das war perfekt!”
Wir kommen wieder Zuhause an.
Sarah fragt: „Auf was hast du Lust?”
„Musik und Kuscheln?”
„Gerne!”
Wir gehen in die Stube zum Plattenregal. Ich finde das Super Trouper Album von ABBA.
„Du hast mich doch gefragt, ob ABBA noch weiter so tolle Lieder hat?”
Sarah nickt.
„Dann wird dir das gefallen!”
Ich lege die Platte auf. Das Lied fängt an und wir kuscheln uns aufs Sofa. Sarah wirkt traurig.
Ich steiche ihr die Haar aus dem Gesicht und frage: „Was ist los? Du guckst so traurig.”
„Du gehst heute Abend. Das ist alles, woran ich denken kann.”
„Bitte sei deswegen nicht traurig. Es ist noch nicht Abend. Wir haben noch Zeit.”
„Ich weiß! Ich habe immer Angst, wenn du gehst, dass ich dich nie wieder sehe!”
„Das lass ich nicht zu! Du bist das Wichtigste, was ich habe!”
„Du für mich auch, aber wenn unsere Eltern plötzlich was dagegen haben und uns verbieten, das wir uns sehen!”
„Das wird nicht passieren! Zur Not laufen wir beide gemeinsam weg!”
„Das würdest du für mich tun?”
„Ich mache alles für dich!”
„Ich mache auch alles für dich! Ich liebe dich so sehr!”
Sie gibt mir einen Kuss.
„Ich liebe dich auch, mein Engel!”
„Wieso Engel?”
„Das war das erste, was mir einfiel, als ich dich zum ersten Mal sah.”
„Ich mag Spitznamen überhaupt nicht, aber wenn wir nur zu zweit sind, kannst du mich so nennen.”
„Warum magst du keine Spitznamen?”
„Die sind immer nur dazu da, um den Anderen zu ärgern! Außerdem hat man einen Namen, das reicht doch!”
„Stimmt!”
„Kuscheln?”
„Ich dachte, du fragst nie!”
Wir legen uns aufs Sofa und hören der Musik zu. Ich muss später nochmal aufstehen, um die Platte zu drehen. Dann kuschel ich mich wieder an sie und wandere wie zuvor mit meinen Fingern über ihren Körper, auch ihre Finger tanzen über meinen Körper. Wir reden nicht, sondern genießen unsere Zweisamkeit. Einige Zeit später werden wir zum Essen gerufen.
Wir sitzen beim Mittagessen. Sarah hält meine Hand und macht auch keine Anstalten sie loszulassen.
„Was ist denn mit euch zwei los? Sarah was bedrückt dich?”, will Jana wissen.
„Ian muss dann gehen und ich will das nicht!”
„Er ist doch nur nicht da, weil er in die Schule gehen muss.”
„Aber er kann doch hier in die Schule gehen. Dann bin ich nicht alleine. Ian ist der erste, der mich wegen meines Hobbys nicht auslacht und ärgert.”
„Das kann ich verstehen, aber es gibt nun mal Regeln, wo ein Kind leben muss und das ist nun mal bei den eigenen Eltern.”
„Find ich doof!”
„Gibt es keine Ausnahmen für diese Regel?”, frage ich.
„Vielleicht. Weiß ich nicht, aber wollen wir rausfinden!”
„Ihr helft uns?”, fragt Sarah überrascht.
„Natürlich. Besonders weil wir sehen, dass ihr mehr als nur Freunde seid. Sarah, was fühlst du für Ian?”
Sarah hält meine Hand jetzt noch fester und atmet tief durch, bevor sie es ausspricht: „Ich liebe Ian!”
Thomas fragt: „Ian empfindest du für Sarah auch so?”
„Ja tue ich! Sie ist das Wichtigste für mich.”
Jana zu Thomas: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell passiert.”
„Das ist mehr als ungewöhnlich! Sebastian hat zwar gehofft, dass Ian sich mit ihr verändert, aber nicht, dass die Beiden gleich ein Paar sind und das so schnell.”
„Ian ist gar nicht wiederzuerkennen, sagte Basti gestern Mittag, als er losfuhr.”
Sarah hält immer noch meine Hand, lächelt aber wieder. Als sie mich anschaut, küsse ich sie. Wir essen weiter. Nachdem wir aufgegessen haben, gehen wir wieder zu dritt ins Kinderzimmer, bringen zuerst Nadine ins Bett und kuscheln uns in ihr Bett.
„Warum helfen deine Eltern uns?”, frage ich.
„Keine Ahnung. Vielleicht weil wir uns trotzdem um die Schule kümmern und unsere Aufgaben machen.”
„Du meinst, weil wir uns trotzdem Ziele setzen und diese auch umsetzen, lassen sie uns in Ruhe?”
„Ich denke schon.”
„Dann machen wir das ab sofort. Wir setzen uns Ziele. Ziel eins wäre dann ein sehr guter Schulabschluss, damit wir uns jeden Beruf auswählen können, den wir wollen.”
„Nein! Ziel eins bleibt. Wir heiraten so schnell wie möglich und ziehen in unsere eigene Wohnung und Ziel zwei ist der Schulabschluss. Einverstanden?”
„Einverstanden!”
Ich küsse sie, dann kuscheln wir uns aneinander und schlafen ein.
Ich werde wach, weil irgendwas auf mir drauf liegt. Ich öffne die Augen und Sarah sitzt breitbeinig auf mir drauf und grinst mich an.
„Wirst du auch mal wach!”, sagt sie angriffslustig.
Sie beugt sich zu mir runter und gibt mir einen kurzen Kuss.
„Der reicht mir nicht!”, sage ich.
„Den Nächsten musst du dir abholen!”
Ich setze mich auf, ziehe sie zu mir und küsse sie lange.
„Hallo Fremder! Lange nicht gesehen.”
„Fremder? Ich küss doch keine Fremde. Ich küsse meinen Traum!”
„Das war süß.”
Sie küsst mich wieder.
„Und wie geht es weiter?”, frage ich.
„Mach einen Vorschlag!”
„Erstmal aufstehen, würde ich sagen.”
„Und du meinst, dass ich das zulasse?”
„Glaubst du nicht, dass ich dich von mir runter bekomme?”
Sie grinst weiter und nickt. Ich halte sie an der Taille fest und drehe mich. Sie rutscht von mir runter und landet auf dem Rücken. Jetzt liege ich auf ihr.
„Da war aber nicht viel Gegenwehr”
„Vielleicht wollte ich es ja.”
„Jetzt kann ich aber das tun!”
Ich stütze mich der rechten Hand ab und mit der linken halte ich ihr Genick. Ich küsse sie, während sie mit der linken Hand an meinem Rücken festhält und mit der anderen Hand gegen meine Brust drückt, ihre Beine umklammern die ganze Zeit meine Hüfte.
Etwas später stehen wir unten in der Küche. Wir reden darüber, was wir jetzt am besten machen könnten.
„Wir gehen erstmal raus in den Garten, da wird uns schon was einfallen, meinst du nicht?”, legt Sarah fest.
„Die Idee gefällt mir.”
Etwas später stehen wir vor der Haustür.
„Fang mich, wenn du kannst!”
Sie rennt los und ich hinterher. Sie ist schnell und immer kurz, bevor ich sie habe, schlägt sie einen Haken und entkommt. Etwas später habe ich sie doch erwischt und ich halte sie fest.
„Was bekomm ich jetzt von dir?”
„Einen Kuss, dann muss ich dich fangen!”
Sie küsst mich kurz. Danach renne ich weg. Schlage Haken und kann mich ein, zweimal ihrem Griff entziehen. Doch letztendlich hat sie mich. Wir stehen kurz bewegungslos da.
Sie sagt: „Wo bleibt mein Kuss?”
Ich grinse: „Ich dachte, du fragst gar nicht!”
Ich küsse sie lange.
„Lauf los! Ich will meinen Kuss von dir!”
Sie rennt lachend los. Ich renne wieder hinterher. Nach einiger Zeit habe ich erwischt, allerdings habe ich das Gleichgewicht verloren und falle ins Gras und ich reiße sie mit. So liegen wir im Gras und halten uns fest.
„Ich warte“, sage ich grinsend.
„Erst musst du was für mich tun!”
„Was denn?”
„Versprich mir, dass du mich nie verlässt, das du immer für mich da bist und alles dafür tust, dass wir zusammenleben können.”
„Ich verspreche es dir. Versprichst du es mir auch?”
„Natürlich verspreche ich dir das auch. Ich schenke dir mein Herz!“
„Und ich schenk dir mein Herz!”
Wir umarmen uns und küssen uns sehr lange.
„Ich liebe dich.”
„Ich liebe dich auch, Ian, mein Blödi”
Wir liegen so noch einen Moment da und stehen wieder auf.
„Wollen wir einen Kakao trinken gehen?”, fragt Sarah.
„Da bin ich dabei!”
Wir laufen ins Haus und fragen Jana, ob sie uns Kakao machen kann. Sie stimmt zu. Als er fertig ist, setzen wir uns an den Tisch, trinken ihn und Jana hat sogar ein Stück Kuchen für uns. Gut gelaunt, albern wir am Tisch rum. Die Stimmung schlägt schlagartig um, als mein Papa zur Tür reinkommt. Sofort greift Sarah nach meiner Hand und ich sehe wieder Traurigkeit in ihrem Gesicht.
„Papa! Wieso bist du schon da? Wir fahren aber nicht sofort?”
„Nein, ihr habt noch jede Menge Zeit!”
„Gut.”
„Ich sollte doch noch das Foto von euch Zwei machen, vergessen?”
„Nein.”
„Wenn ihr dann fertig seid, können wir ja loslegen.”
„Siehst du Sarah alles gut. Wir haben noch Zeit!”
Sie klammert sich an mir fest und ich kann sie leise weinen hören. Ich drehe mich zu ihr und halte sie einfach nur fest, bis sie sich wieder beruhigt hat.
„Alles wieder gut?”, frage ich sie.
„Geht schon. Ich hatte nur Angst, dass ich dich verliere.”
„Du verlierst mich nie, hab ich doch versprochen. Na los! Lassen wir uns fotografieren!”
„Okay!”
Wir gehen nach draußen, mein Papa steht mit seiner Praktika schon im Hof.
„Wollen wir?”
Wir nicken.
„Stellt euch mal dorthin.“
Wir stellen uns vor das Scheunentor. Dort stehen wir dann Hand in Hand.
„Lächeln nicht vergessen!”
Mein Papa macht ein Foto.
„Könnt ihr euch anders hinstellen?”
Wir nehmen uns in den Arm. Ein Foto wo wir in die Kamera gucken, ein anderes als wir uns in die Augen sehen. Als letztes stehe ich frontal zur Kamera und Sarah halb vor mir, auch der Kamera zugewandt. Ich umarme sie auf Bauchhöhe, eine Hand von ihr liegt auf meinen Händen, die andere liegt auf meiner Hüfte. Für das erste Foto schauen wir lächelnd in die Kamera, für ein weiteres sehen wir uns an und für das letzte küssen wir uns.
„Ich habe Angst, dass sie denken, dass das Foto nicht echt ist.”
„Mach dir bitte keine Sorgen, außerdem sind wir doch heute Charlie begegnet, die kann bestätigen, dass es mich gibt.”
„Hatte ich fast vergessen! Danke.”
„Weswegen.”
„Du kannst mich irgendwie immer beruhigen.”
Ich küsse sie kurz.
„Für dich immer.”
Im Anschluss spielen wir noch eine Runde Fangen und albern rum. Wir haben einfach unbeschwerten Spaß. Mein Papa verfolgt uns mit der Kamera.
Thomas kommt aus dem Haus und sagt: „Helft ihr bitte beim Abendessen vorbereiten.”
„Natürlich! Wir sind schon unterwegs“, sage Sarah und ich fast gleichzeitig.
„Und schon wieder! Die beiden sind manchmal so unheimlich.”
„Was meinst du?”, fragt mein Papa.
„In dem Fall, dass sie fast perfekt synchron reden oder dass sich ihre Beziehung so schnell entwickelt.”
„Wie schnell entwickelt sie sich?”
„Die Überraschung will ich dir nicht versauen!”
Wir sitzen beim Abendessen und alle sind gut gelaunt. Sarah und ich albern herum, indem wir ein Brot schmieren und es dann dem anderen wegnehmen und essen.
„Ich wollte das Käsebrot!”, sagt Sarah gespielt wütend.
„Zu langsam! Du kannst meins haben.”
„Warum isst du dann nicht deins?”
„Weil es von dir gemacht wurde, dann schmeckt es besser!”
Sie nimmt sich meins und beißt ab.
„Stimmt, schmeckt wirklich besser!”
Wir gucken uns kurz an und sie gibt mir einen kurzen Kuss. Unsere Eltern beobachten dieses Schauspiel und grinsen.
„Sowas meine ich. Sie sind unheimlich harmonisch miteinander. Als würden sie sich schon Jahre kennen und einerseits benehmen sie sich wie normale Kinder, aber auf der anderen Seite sind sie schon unheimlich erwachsen. Ich war heute Nachmittag im Kinderzimmer, um zu schauen, ob sie schon wach sind, Ian lag auf Sarah und sie haben sich geküsst. Das sah aus wie ein Vorspiel”, erzählt Thomas.
Mein Papa guckt erstaunt und sagt: „Die beiden sind gerade mal sieben Jahre alt. Die können sowas noch gar nicht kennen!”
„Heute Früh wurden die beiden von mir im Bad erwischt, wie sie sich nackt umarmten und küssten“, ergänzt Jana.
„Was meint ihr, sollen wir das unterbinden? Ich weiß nicht, was ich davon halten soll!”, sagt mein Papa.
„Ich denke der Schaden, den wir anrichten würden, wäre größer, wenn wir die beiden trennen, aber ich denke, dass wir sie aufklären sollten!”, wirft Thomas ein.
„Sie müssen verstehen, was mit ihnen passiert“, sagt Jana.
„Aufklären statt Verbieten. Klingt vernünftig! Genau so machen wir es!“, legt mein Papa fest.
Zeit für den Abschied. Sarah hält mich ganz fest und will mich nicht loslassen. Wir küssen uns lange.
„Ich werde dich unheimlich vermissen!”, sagt sie traurig.
„Ich vermisse dich schon jetzt. Ich werde gar nicht schlafen können, wenn du nicht neben mir liegst!”
Wir küssen uns nochmal.
„Ich liebe dich“, sage ich.
„Ich liebe dich auch. Komm ganz schnell wieder!”
„Versprochen!”
Ich gucke in das erstaunte Gesicht meines Papas.
„Hab ich zuviel versprochen?”, fragt Thomas grinsend.
„Wie ist das denn passiert?”
„Ich hab doch gesagt, die beiden benehmen sich wie ein Pärchen, das schon eine ganze Weile zusammen ist.”
„Das kann ja was werden! Ian, einsteigen bitte!”
Ich geb Sarah noch einen Kuss, dann steige ich ein und wir fahren los.
Auf der Fahrt zurück.
„Wie war eure erste Übernachtung?”, fragt mein Papa.
„Richtig schön! Es ist ein tolles Gefühl, neben ihr wach zu werden.”
Er fragt mich noch mehr Sachen, was wir den ganzen Tag gemacht haben oder wie es passiert ist, dass wir uns auf den Mund küssen oder warum wir, ich liebe dich, sagen. Einige Sachen kann ich nicht erklären, deshalb sage ich, dass wir das machen, weil es sich so richtig anfühlt.
Zuhause gehe ich nochmal in die Küche, um mir noch was zu trinken zu holen. Ich höre, wie sich meine Eltern in der Stube unterhalten.
Mein Papa: „Sarah und Ian sind definitiv sehr viel mehr als Freunde. Auch wenn es dir nicht gefällt, aber die beiden sind ein Paar.”
Meine Mama: „Woran machst du das fest?”
„Sie küssen sich, wie es nur Pärchen tun und sie sagen, ich liebe dich, zueinander.”
„Sie sind gerade einmal sieben, die verstehen das nicht mal.”
„Dachte ich am Anfang auch, aber so wie sie miteinander umgehen, bin ich mir sicher, auch wenn sie es vielleicht nicht verstehen, handeln sie danach.”
„Denkst du? Trotzdem finde ich, dass es nicht richtig wäre, wenn die zwei dauerhaft zusammen wohnen würden.”
„Und wenn wir es mal versuchen würden? So, einen Monat. Wenn es schief geht, kann man uns keinen Strick daraus drehen.”
„Wäre eine Möglichkeit! Und was machen wir, wenn es gut geht, zieht dann ein 7-Jähriger schon bei seinen Eltern aus! Was würden die Anderen sagen?”
„Was die Anderen sagen ist mir reichlich egal, es geht um unseren Sohn! Der hat es verdient, glücklich zu sein, auch wenn das bedeutet, dass er nicht mehr bei seinen Eltern wohnt, dann soll mir das recht sein!”
Ich gehe leise in mein Zimmer und gehe schlafen, Bruno fest im Arm.
Montag in der Schule passiert nichts außergewöhnliches, außer in der Raucherecke. Meinen Freunden fällt auf, dass ich anders bin und fragen, was es Neues gibt. Ich erzähle von Sarah und alle hören gespannt zu. Daraufhin hagelt es Glückwünsche, alle freuen sich für mich. Keine dummen Sprüche. Nachmittags komme ich nach Hause, mein Papa ist schon da. Er hat das Badezimmer schon abgedunkelt.
„Ich will die Bilder vom Wochenende entwickeln. Hilfst du mir?”
„Natürlich! Ich bin gespannt wie die geworden sind.”
„Ich entwickle erstmal die Negative, da brauche ich dich noch nicht, aber für die Abzüge später.”
„Sag wenn du so weit bist.”
„Mach ich.”
Ich setz mich in meinem Zimmer und lese Alice im Wunderland weiter, diesmal lese ich laut und merke, dass ich Fehler beim Lesen schneller bemerke und korrigieren kann. Sarah Tip hilft also. Ich schicke ihr in Gedanken einen Kuss. Etwas später guckt mein Papa ins Zimmer und sagt:
„Ich bin soweit, kommst du?”
„Gerne.”
Ich lege das Buch weg und folge ihm in die Dunkelkammer. Dort zeig er mir seine Vorauswahl. Das Bild als wir uns umarmen und ansehen gefällt mir sehr.
„Nehm ich“, sage ich.
Ein weiteres Bild wo Sarah vor mir steht und wir in die Kamera blicken.
„Das ist gut geworden“, sagt Papa.
Ein weiteres Bild, wir stehen auf der Wiese, halten uns an beiden Händen und schauen uns an.
„Wann hast du das gemacht?”
„Bei eurem Fangerspiel.”
Das nächste Bild, wir stehen auf der Wiese, Sarah hält mich von der Seite fest und wir gucken uns in die Augen.
„Mein Lieblingsbild bis jetzt!”
„Zwei kommen noch”
Das zeigt uns zwei, wie wir bei einem Baum stehen und uns eng umschlungen küssen.
„Das auf jeden Fall. Das sieht toll aus!”
Das letzte Bild zeigt uns zwei rennend, Sarah läuft vor mir weg und ich mit ausgestreckten Arm hinterher.
„Das sieht einfach nur schön aus.”
„Also alle Bilder?”
„Sehr gerne!”
„Ich mache drei Abzüge von jedem. 2 Kleine und einen Großen, okay?”
„Danke Papa. Hab dich lieb!”
Mein Papa guckt erstaunt. Ich sehe ihn an, plötzlich fällt mir auf, dass ich das noch nie gesagt hatte. Ich umarme ihn.
„Danke!”
„Ich hab dich auch lieb. Aber warum hast du das gesagt?”
„Weil ich Sarah liebe und sie liebt mich.”
„Hat Sarah gesagt, dass du das sagen sollst?”
„Nein, aber durch sie bin ich mir meiner Gefühle bewusst.”
„Ihr beide seid was Besonderes!”
„Ich geh ein bisschen in den Garten, okay?”
„Natürlich.”
Im Garten setze ich mich mit Bruno unter meine Trauerweide und denke über das letzte Wochenende nach, bis es Zeit fürs Abendessen ist.
Am gleichen Abend gibt mir mein Papa die Abzüge. Ein Stapel kleine Abzüge für mich, der andere Stapel für Sarah und die großen teilen wir auf, wenn wir uns das nächste Mal sehen. Meine kleinen Abzüge befestige ich mit Klebeband an der Wand bei meinem Bett. Dann gehe ich schlafen. Die restliche Woche verläuft vollkommen normal, allerdings gibt es am Donnerstag eine sehr schlechte Nachricht, mein Papa kann mich nicht zu Sarah fahren, weil er arbeiten muss. Ab da bin ich nur noch schlecht gelaunt und will niemanden sehen.